BIOGRAPHIE

Am 20. April des Jahres 1900 wurde dem leitenden Wiener Oberevidenten der k. u. k. Ei­senbahnen Vinzenz von Vesely ein Sohn ge­boren, der die Vornamen Friedrich Rai­mund erhielt.

 

Schon früh stellte man fest, dass der Kleine aufhorchte, wenn Musik erklang. Diese offensichtliche Begabung wurde gern akzeptiert, zumal man väterlicher­seits aus dem musikträchtigen Böhmen stammte und ein Bruder des Vaters mehrere Instrumente spielte, ohne Musiker zu sein. Deshalb durfte der Bub auch ruhig Klavier­unterricht erhalten  und  nach Herzenslust üben und spielen. Nur Musiker sollte er nicht werden, sondern einen gut bürgerlichen Beruf ergrei­fen. Natürlich erst mal einen ordentlichen Schulabschluss mit Matura und danach studieren. Der Vater wollte trotz der Vorliebe seines Sohnes für Musik von einem Musikstudium nichts wissen. Das einzige, was durch die Fürsprache seiner Mutter er­reicht wurde, war, dass er während  seiner Schulzeit Klavierunterricht erteilt be­kam.

 

Mit zwölf Jahren wirkte er in ei­nem Konzert mit und hatte als Pianist sehr großen Erfolg; aber der Vater blieb da­bei, er sollte Wirtschaft studieren oder Beamter werden. Deshalb ging er zunächst auf die Hochschule für Welthandel an der Universität Wien. Was sollte er nun machen - er wurde eben ein 'heimli­cher' Musiker und Komponist."

 

1915 starben Vater und Mutter kurz hintereinander. Friedrich und seine drei Schwestern waren auf sich allein ge­stellt. Er gab nach zwei Jahren das Studium  auf und begann eine Banklehre bei der Österreichischen Nationalbank. Nebenher besuchte er mit einem Stipendium die Höhere Han­delsakademie. Musik machte er nur zum eigenen Vergnügen. Der Vater eines Jugendfreundes, der Lehrer am Konser­vatorium war, gab ihm weiter Unterricht in Klavier und Harmonielehre.

 

Dies führte dazu, dass eines Tages auf dem Theaterzettel des Geselligkeitsvereins 'Thespis' zu lesen stand: 'Madame Inkognito', Operette in drei Akten von Fredy Raymond. Und es traf sich, dass eines dieser Lieder auch einem Verleger gefiel, und er ließ es drucken. Als es immer mehr Kompositionen wurden und nach Art und Umfang jenen Tanzmelodien ent­sprachen, die nach dem Krieg modern wurden, nahm er Kontakt zu Fritz Grünbaum (1880-1941) auf. Der jüdische Conférencier und Textdichter war Direktor des Kabaretts "Die Hölle". 1909 hatte dort die Uraufführung des Sing­spiels 'Brüderlein fein' von Leo Fall stattgefunden. Der Routinier Grünbaum erkannte so­fort die Begabung des jungen Mannes und ermunterte ihn zur Komposition einer Revue. Diese wurde 1924 aufge­führt und enthielt den frivolen Schlager Ich hab das Fräul'n Helen' baden 'seh'n, Text von Fritz Grünbaum.

 

In diese Zeit fiel die Namens-Umwandlung des jungen Komponisten. Aus Friedrich Raimund Vesely wurde Fredy Raymond (erst später lässt er das „y“ des Vornamens fort). Den Beruf des Bankkaufmann  gab er auf ,reiste herum und ging nach Deutschland, das zu seiner Wahlheimat wurde. In Frankfurt (Main) gelang ihm sein damals größter Erfolg, das zum Volkslied gewordene „Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren“. 1927 nutzte Fred Raymond den durchschlagenden Schlager-Erfolg und schrieb mit Bruno Hardt-Warden und Beda (Gesangstexte: Ernst Neubach) das romantische alt fränkische Singspiel 'Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren'. Es wurde am 29. April 1927 an der Wiener Volksoper uraufgeführt.

 

1928 gab es weitere Erfolge im Stil der damals beliebten Nonsensschlager: Ich reiß mir eine Wimper aus und stech dich damit tot und Ich steh mit Ruth gut. In diesen Jahren trug das Medium Film zur weiteren Popularität Fred Raymonds bei, denn ab 1926 konnte er jährlich einen seiner neuesten Schlager als Filmtitel etablieren. Der ersten Verfilmung 1926 von "Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren" sollten mehrfach wiederholte Verfilmungen seiner bedeutendsten Bühnenwerke folgen.

 

Ende der zwanziger Jahre wurde der Tango sehr beliebt. Fred Raymond schrieb In einer kleinen Konditorei, ein Tango-Lied. Diese kleine Konditorei hat es wirklich gegeben, am Kurfürstendamm in Berlin, wohin Fred Raymond unterdessen übersiedelt war. Das war 1928. Ein Jahr später hatte die Musikalische Komödie 'Die Jungfrau von Avalion' im Juni im Central-Theater in Dresden Premiere. Der Erfolg des "Kleinen-Konditorei-Tangos" veranlasste die Autoren den Ti­tel des Lustspiels zu ändern. Aus der 'Jungfrau von Avallon' wurde 'In einer kleinen Konditorei'. Mit dem populären Tango als Schluss nummer kam es am 30. November 1929 am Hamburger Schil­lertheater zu einer weiteren "Uraufführung. Noch im gleichen Jahr wurde in München um diesen Schlager einer der ersten (noch nachsynchronisierten) Ton­filme gebaut.

 

Ab 1930 widmete sich Fred Raymond ganz dem neuen Medium, dem Tonfilm. Und wieder persifliert er (mit den Co-Textern Charles Amberg und Luigi Bernauer) den Zeitgeist mit leichter Hand und meint 1930: Mein Bruder macht im Ton­film die Geräusche. 1932 wendete er sich wieder der Kom­position für die Bühne zu, zunächst dem Singspiel 'Der Königsleutnant' (nach Karl Gutzkow).

 

Dann die Operetten-Er­folgsserie am Metropol-Theater, Berlin: 1934 'Lauf ins Glück', 1935 'Ball der Nationen', 1936 'Auf großer Fahrt' und 'Marielu'. 1937 sein größter Erfolg: 'Maske in Blau'. Der Librettist Heinz Hentschke (1895-1970) vermerkte stolz, dass es keine Stadt in Deutschland gebe, wo diese Operette noch nicht aufgeführt worden sei. Viele Lieder daraus wurden Evergreens: Die Juliska, die Juliska aus Buda-Budapest — Sassa - Ja, das Temp'rament — Frühling in San Remo — Am Rio Negro—Im Gegenteil—Schau ei­ner schönen Frau nie zu tief in die Augen. Ein Jahr später, am Sylvesterabend 1938, kam am Stadttheater Kiel die nächste Erfolgs-Operette heraus: 'Sai­son in Salzburg'. Unter den 21 Liedern und Tänzen dieses Bühnenwerkes wur­de einer zur programmatischen Schlag­zeile: Und die Musik spielt dazu.

 

Dieses und noch ein weiteres Lied aus der Operette erhielten einen besonderen Akzent durch eine junge Künstlerin, die damals frisch nach Deutschland kam: Rosita Serrano, die "chilenische Nachti­gall". Sie nahm das schmissige Und die Musik spielt dazu und den Ländler Wenn der Toni mit der Vroni in ihr Repertoire auf und verhalf den beiden Liedern durch ihren temperamentvoll kapriziösen Vortrag zum Sensations-Erfolg. Die Liedertexte stammten von dem damals sehr erfolgreichen Dichter Kurt Feltz (1910-1982), mit dem Fred Raymond im Jahr darauf seine nächste Operette 'Das Bett der Pompadour' im Berliner Kabarett der Komiker herausbrachte. Die gute Zusammenarbeit führte auch noch zu der Operette 'Die Perle von Tokay', 1941.

 

Doch dann war die Erfolgsserie erst einmal unterbrochen. Fred Raymond war schon vorher zur Wehrmacht eingezogen worden. Dort schrieb er 1942 einen Schlager, der zunächst wie ein "Durchhaltelied" er­schien, später, "gegen Ende 1944 in Deutschland so etwas wie eine Anti-Na­tionalhymne wurde "Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei“. Zunächst gab es Annerkennung von höchster Kulturstelle für diesen „Besänftigungsschlager“. Als dann aber der von Fred Raymond selbst auf diese Zeile pro­vozierte Spottreim "Es geht alles vorü­ber, es geht alles vorbei, sogar Adolf Hit­ler und seine Partei" so sehr um sich griff, dass die Partei davon erfuhr, wurde dieses Lied umgehend verboten. Raymond selber passierte glücklicherweise nichts, aber er erhielt vom Reichspropaganda-Ministerium den Auf­trag, eine "Durchhalte"-Operette zu komponieren. Befehlsgemäß zog er sich mit zwei Librettisten aufs Land zurück und machte sich an die Ar­beit. Ausgerechnet ihm, der von Einfal­len nur so sprudelte, fiel und fiel nichts ein. Und als dann wirklich alles vorüber war, kehrte er über Prag in seine Heimat Österreich zurück, arbeitete und lebte  zunächst in Wien und Salzburg als Hauskomponist des Österreichischen Rundfunks, des späteren ORF.

 

Am 20. Februar 1948 kam am Flora-Theater in Hamburg seine neue Operette 'Konfetti' heraus. 1949 gab es gleich drei Bühnenwerke: das Musikalische Lust­spiel 'Wohin mit der Frau?' in Schles­wig, die Operette 'Flieder aus Wien' in Kassel und die Musikalische Komödie 'Romanze im Schloß', wieder in Ham­burg am Deutschen Schauspielhaus.

 

In Deutschland lagen fast alle großen Städte in Schutt und Asche. Berlin war ein Trümmerhaufen. Aber in Hamburg hatte sich so etwas wie eine neue Kulturmetropole gebildet. Künstler-Freunde, die dort bereits Fuß gefasst hatten, bewegten ihn, seinen Wohnsitz ebenfalls dorthin zu verlegen. Am 20. Februar 1948 kam am Flora-Theater in Hamburg seine neue Operette 'Konfetti' heraus. 1949 gab es gleich drei Bühnenwerke: das Musikalische Lust­spiel 'Wohin mit der Frau?' in Schles­wig, die Operette 'Flieder aus Wien' in Kassel und die Musikalische Komödie 'Romanze im Schloß', wieder in Ham­burg am Deutschen Schauspielhaus.

 

1950 baute Fred Raymond sich ein Feriendomizil am Bodensee behielt aber seine Wohnsitze in Hamburg und Berlin bei. 1951 zog er dann endgültig nach Überlingen am Bodensee. Im glei­chen Jahr brachte das Nationaltheater Mannheim seine letzte Operette 'Ge­liebte Manuela' heraus. Die Urauf­führung war aber schon vorher im Bayerischen Rundfunk zu hören und wurde von Werner Schmidt-Boelcke (1903-1985) aus der Taufe gehoben. Fred Raymond hat diesen Dirigenten, mit dem er bereits seit 1924 zusammenarbeitete, ganz besonders geschätzt.

1952 heiratete er seine zweite Frau Eva-Maria, die Tochter eines bekannten Deutschen Industriellen.

 

Mitten in der Arbeit an einem neuen Bühnenwerk nahm ihm der Tod die No­tenfeder aus der Hand. Fred Raymond starb unerwartet am 10. Januar 1954 in Überlingen an Herzversagen. Auf dem Friedhof in Überlingen, fern seiner Geburtsstadt Wien, fand Fred Raymond seine letzte Ruhestätte. Seinen einzigen Sohn Thomas hat er nicht mehr gesehen.